In der Kronsberg-Siedlung in Hannover hat Gundlach ein bundesweit einmaliges Recyclinghaus gebaut. Mehr als die Hälfte der verwendeten Werkstoffe haben die ökologisch engagierten Mitarbeiter:innen vor der Deponie gerettet. Statt die Baumaterialien wegzuschmeißen, hat sie Gundlach aufbereitet und neu eingebaut. Türen stammen aus einem alten Bauernhaus, gebrauchte Saunabänke dienen als stylische Holzlatten und benutzte Kakaobohnen-Jutesäcke helfen beim Dämmen der Wohnräume.
Nicht weniger als eine „kleine Revolution“ bezeichnete die Jury des Deutschen Fassadenpreises 2020 Gundlachs Recyclinghaus. Es zeige „Auswege aus dem umweltschädlichen Bauen“.
Recyclinghaus mit 150 Quadratmetern
Drei Jahre hatte Gundlachs Öko-Team zusammen mit dem Architektur-Büro Cityförster an dem Leuchtturm-Projekt gefeilt. 2019 zogen die Mieter:innen in den dreistöckigen, lichtdurchfluteten Massivholzbau aus Second-Hand-Materialien. Herausgekommen ist ein futuristisch wirkendes Haus mit mehr als 150 Quadratmetern Wohnfläche, das in seiner ganzen Art und Weise einmalig sein dürfte. „Viele Konstruktionen mussten extra für dieses Haus neu entwickelt werden. Wir waren sehr kreativ und flexibel“, sagt Gundlach-Projektleiterin Corinna Stubendorff.
Denn es konnte nur mit dem gearbeitet werden, was an „Abfällen“ in der Region Hannover übrig war. Einige Materialien wie etwa die Baustoffe für die Fassade musste sich Gundlach frühzeitig sichern. „Der Ausbau von Materialien ist viel teurer als der einfache Abriss eines Gebäudes“, erklärt Stubendorff. Ins Auge fällt direkt die grünlich-bläuliche Glas-Fassade in den unteren Stockwerken. Diese alten Profilbaugläser stammen aus einer abgerissenen Lackiererei ganz in der Nähe. Darüber erheben sich schwarze Faserzementplatten – sie hatten unbelastet von Schadstoffen in einem Freizeitheim für Jugendliche ausgedient.
Baustoffe gerettet aus Abrissen und Messebau
Im Inneren schaffen die Ziegelsteine aus einer abgerissenen Scheune ein Gefühl von Zuhause und Geborgenheit. An einer Wand im Obergeschoss ist von „global skills“ und „local precense“ die Rede, aber nicht weil die Mieter:innen das dorthin geschrieben haben. Die Wand wurde wie viele weitere Einbauschränke oder Türen im „ersten Leben“ im Messebau genutzt.
Das Bad ist mit Kronkorken eines Burger-Restaurants verziert, die als Waschbecken genutzte Schüssel stand zuvor in einem Sportcenter. „Wenn man im Haus steht, merkt man nicht, dass vieles aus zweiter Hand kommt. Es hat eine besondere Atmosphäre und seinen ganz eigenen architektonischen Charme“, sagt Franz Gerbens, Ökologiebeauftragter bei Gundlach.
Massivrohbau ist recyclebar
Obwohl dieses Gebäude zu einem großen Teil aus Abfällen besteht, erreicht es den Standard eines Niedrigenergiehauses. Aber nicht alles ist schon einmal genutzt worden. Ein Beispiel: Am Kronsberg dürfen nur dreifachverglaste Fenster verbaut werden. Doch die gab es zu der Zeit nicht als „Second-Hand“. Die Doppelverglasung aus den ebenfalls im Freizeitheim geretteten Aluminium-Fenstern musste Gundlach daher ausbauen und ersetzen.
Zu einem perfekten Recyclinghaus gehört aber auch, dass die Baustoffe später einfach und leicht verwertet werden können, sollte das Gebäude irgendwann mal seinen Zweck erfüllt haben. Der Rohbau aus leimfreien Massivholz kann nach Ende seiner Lebensdauer ohne Qualitätsverlust recycelt werden. Andere Materialien wie zum Beispiel die Kupferohre der Heizung liegen offen an der Wand – und sind daher einfach auszubauen. „Wir haben durch das Projekt viel Zuversicht mitgenommen, dass man auch mit alternativen Materialien etwas schaffen kann. Recycling wird für uns und die Branche immer wichtiger“, betont Stubendorff.
Neue Ideen bei Gundlach
Gundlach hat sich bis zum Jahr 2025 das Ziel gesetzt, dass 80 Prozent der verwendeten Baustoffe einen Recyclinganteil haben oder nachwachsend sind. „Der Anspruch aus dem Projekt ist auf uns übergegangen. Wir haben das Thema noch mehr durchdrungen und prüfen immer wieder neue Ideen“, erklärt Gerbens. Zum Beispiel arbeitet Gundlach inzwischen mit Recycling-Beton, der bis vor wenigen Jahren in der Region Hannover überhaupt nicht erhältlich war. „Wir sind bei Gundlach inzwischen geübt darin, Dinge anders und neu zu denken“, betont Gerbens.